Hochbegabung

 

Etwa 2 % der Menschen haben einen IQ > 130 und gelten somit als hochbegabt. Ob diese Hochbegabung sich entfalten und als Ressource für Individuum und Gesellschaft betrachtet werden kann oder ob sie gar als Last empfunden wird, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Dabei ist nicht nur die Höhe des IQs zu berücksichtigen, sondern viele andere Bereiche wie z.B. Lebensumstände, Förderungsbedingungen, Motivation, Leistungsbereitschaft, etc..

Bild28Bei genauer Betrachtung ist die Antwort auf die Frage, wann ein Mensch hochbegabt ist, gar nicht so einfach. Zählt nur der IQ? Handelt es sich um Hochbegabung, wenn ausschließlich bestimmte Bereiche wie Musikalität oder Motorik betroffen sind? Wie lautet die Antwort, wenn ein Kind ehemals als hochbegabt getestet wurde, aber seit langer Zeit nur noch schlechte Noten erhält? Heißt Hochbegabung auch automatisch hohe Leistungsfähigkeit? Und heißt Hochbegabung auch gleichzeitig Erfolg, Zufriedenheit und psychisches Wohlbefinden?

Es gibt viele hochbegabte Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die wegen ihres „Andersseins“ ausgegrenzt werden, die von Missgunst, Unverständnis oder Mobbing betroffen sind oder deren Umfeld über die häufigen Fragen ungehalten reagiert. Es gibt Schüler/innen, deren Lehrer nicht an ihre Begabung glauben, selbst wenn diese von Spezialisten dokumentiert ist. Es gibt die Hochbegabten, die sich in der Schule zu Tode langweilen, die als Klassenclowns, Störenfriede oder fast unsichtbar ihr Dasein fristen, deren Leistungen durch Motivationsverlust, Anstrengungsvermeidung und lange unsichtbare begleitende Lernstörungen immer schlechter werden und bei denen niemand auf den Gedanken einer möglichen Unterforderung kommt.

Hochbegabte Menschen zeichnen sich vor allem aus durch

  • Komplexizität der Informationsverarbeitung
  • Tiefe und Abstraktionsgrad des Denkens
  • effizientes Auffinden von Ordnungen
  • schöpferisches Denken

Alles „easy“, könnte man meinen. So beschenkt, lässt es sich mit entsprechender Förderung und Unterstützung doch mit Leichtigkeit durchs Leben gehen. Dass dem aber nicht immer so ist, zeigen uns viele Fälle in unserer Praxis, bei denen es eben nicht so rund läuft. Und das kann ganz unterschiedliche Ursachen haben.

 

Hochbegabung ist nicht gleich Hochleistung

Hochbegabung bezeichnet lediglich das hohe geistige Potenzial eines Kindes, Jugendlichen oder Erwachsenen. Ob sich dieses Potential letztendlich auch in herausragenden Leistungen spiegelt, ist von einer Vielzahl von Faktoren beim Kind selbst, sowie in dessen Familie und Umfeld abhängig.

Heute weiß man, dass erfolgreiches Lernen und gute Schulleistungen nur zum Teil mit der Begabung/Intelligenz eines Kindes zusammenhängen. Maßgeblich führen Persönlichkeitsvariablen wie hohe Lern- und Leistungsmotivation, eine gute Selbststeuerung und eine effektive Lern- und Arbeitsorganisation zu schulischem Erfolg. So werden durchschnittlich begabte Schüler, die über gute Lernfähigkeiten verfügen und hohe Leistungen erzielen, manchmal irrtümlich als hochbegabt bezeichnet. Wiederum macht sich so manche Hochbegabung z.B. bei Vorliegen von Teilleistungsstörungen, chronischer Unterforderung, und/oder einer zusätzlichen AD(H)S geradezu unsichtbar. Hier ist eine besonders sorgfältige Diagnostik bei erfahrenen Spezialisten notwendig, damit das betroffene Kind, bzw. der/die Jugendliche ggf. erkannt und passgenau unterstützt werden kann. Wichtig ist, dass beides – Hochbegabung und Störung – richtig diagnostiziert werden. Bei jedem Therapieansatz muss die Hochbegabung berücksichtigt werden. Ist dies nicht der Fall, ist der Misserfolg vorprogrammiert.

 

Bild40Underachievement – Wenn die Begabung unsichtbar bleibt

Textfeld: mit individuellem Lerncoaching zu mehr Motivation und Lernerfolg Viele Hochbegabte finden sich in unserem Schulsystem gut zurecht, sind integriert, selbstbewusst und erbringen gute Leistungen. Andere, sogenannte "Underachiever", fallen dagegen durch schlechte Leistungen oder ihr Verhalten auf. Underachievement wird definiert als erwartungswidrige schulische Minderleistung bei hochbegabten SchülerInnen. Demnach lässt sich ein Kind dann als Underachiever bezeichnen, wenn es sein hohes kognitives Potenzial (IQ > 130) entgegen der Erwartung nicht in gute Schulleistungen umsetzen kann. Die betroffenen Kinder zeigen in einem oder mehreren Fächern lediglich Leistungen im Klassendurchschnitt oder bleiben sogar darunter (Definition nach Rost 2007).

Der Weg zum Underachiever ist meist ein langer Prozess, der in Phasen verläuft. Werden anfänglich nur kleinere Einbrüche sichtbar, nehmen die Probleme im Verlauf der Schulzeit allmählich zu. Meist werden die Auffälligkeiten in Klasse 5 bis 7 unübersehbar und sind dann Anlass dafür, Hilfe und Unterstützung zu suchen. In der Beratungspraxis lässt sich eine große Bandbreite bei Underachievern beobachten, die von einem recht unauffälligen Kind mit durchschnittlichen Schulnoten bis hin zum Schulverweigerer, bzw. als „unbeschulbar“ bezeichneten Kind oder Jugendlichen reicht.

 

Was wir tun können

Im Zusammenhang mit dem Phänomen Underachievement werden zunehmend Persönlichkeitsvariablen eines Kindes (Selbstkonzept, Selbststeuerung, Motivation) fokussiert, da diese entscheidend zum Aufbau erfolgreichen Lern- und Leistungsverhaltens beitragen. Hier setzt unsere Unterstützung im Lerncoaching für hochbegabte Schüler/innen an.

 

Unser Angebot für hochbegabte Schüler/innen und deren Familien:

 

Lern- und Leistungsberatung auf Basis der PSI-basierten Lernkompetenzanalyse nach Prof. Kuhl (TOP-Scandiagnostik)

Bei der Lern- und Leistungsberatung führen wir in Zusammenarbeit mit der Universität Osnabrück eine umfassende Lernkompetenzanalyse durch und führen im Anschluss ein ausführliches Auswertungs- und Beratungsgespräch mit unseren jungen Klienten, sowie mit den Eltern. Dieses diagnostische Verfahren gewährt uns, eingebettet in einen fundierten wissenschaftlichen Rahmen, einen differenzierten Blick in die Leistungsmotivation, die Selbststeuerungsfähigkeiten und die Persönlichkeitsstruktur des Kindes, bzw. Jugendlichen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen es uns, weitere Fördermaßnahmen gezielt auf die Bedürfnisse des einzelnen Schülers zuzuschneiden. Mehr zur Lernkompetenzanalyse finden Sie hier.

 

Individuelles Lerncoaching – damit aus Absichten (wieder) Taten werden

Im individuellen Lerncoaching lernt der/die hochbegabte Schüler/in gezielt, seine/ihre Stärken bewusst einzusetzen, sich Entwicklungsziele zu setzen und diese auch konsequent zu verfolgen. Die Schüler/innen erarbeiten darüber hinaus unter fachlicher Anleitung im Einzelsetting prozessorientiert Lern-, bzw. Arbeitstechniken und effektive Lernstrategien.

Mit diesem Gedicht beschreibt eine hochbegabte Schülerin, wie sie den Lerncoachingprozess erlebt hat.

Zitat14

Mehr zum Lerncoaching finden Sie hier:

  • Lerncoaching für hochbegabte Kinder und Jugendliche mit AD(H)S

Weitere Informationen zum Thema Hochbegabung und AD(H)S finden Sie hier:

  • Kurse und Seminare für hochbegabte Kinder und Jugendliche zu unterschiedlichen Themen. Mehr zu unseren Kursen finden Sie hier.
  • Beratung für Eltern und Lehrkräfte

Fühlen Sie sich angesprochen? Dann nehmen Sie Kontakt mit uns auf. Wir freuen uns auf Sie!

 

Hier finden Sie weitere Informationen zum Thema Hochbegabung:

Was ist Hochbegabung?

Hochbegabung erkennen

Diagnostik einer Hochbegabung

Was Eltern tun können

Leistungsfaktoren

Ursachen für Underachievement

AD(H)S und Teilleistungsstörungen bei vorhandener Hochbegabung

Gemeinsamkeiten und Unterschiede von AD(H)S und Hochbegabung

Therapie von hochbegabten Kindern mit AD(H)S

Anforderungen an Fördermaßnahmen oder Therapie bei Hochbegabung

Schulische Fördermaßnahmen

 

Was ist Hochbegabung?

Bild84Intelligenz ist kein physikalisches Merkmal wie z. B. die Größe oder das Gewicht, welche mit einem Messinstrument direkt erfasst werden können. Intelligenz ist ein von Wissenschaftlern geprägtes Konstrukt zur Beschreibung von kognitiven Fähigkeiten. Diese Fähigkeiten können aus der ausführlichen Befragung der aktuellen und bisherigen Lebensereignisse und Erfahrungen aus Elternhaus, Kindergarten oder Schule in Kombination mit wissenschaftlich anerkannten testpsychologischen Untersuchungen erschlossen werden.

Die Beurteilung einer intellektuellen Hochbegabung wird an dem Intelligenzquotienten gemessen. Durchschnittlich intelligente Menschen haben einen Intelligenzquotienten (=IQ) zwischen 85 und 114 (Prozentrang 16-83), überdurchschnittliche intellektuelle Begabungen liegen zwischen 115 und 129 (Prozentrang 84-97). Bei einem IQ ab 130 (Prozentrang ≥ 98) spricht man von Hochbegabung. In Deutschland gibt es gemäß der Gauss'schen Verteilungskurve etwa 1,5 Mio. überdurchschnittlich intelligente (IQ ≥ 115) und ca. 365 000 hochbegabte Kinder. Das bedeutet, ca. 16% aller Kinder einer Altersgruppe sind überdurchschnittlich begabt und ca. 2% aller Kinder einer Altersgruppe sind hochbegabt.

 

Hochbegabung erkennen

Wenn Ihnen als Eltern folgende Merkmale bei Ihrem Kind auffallen, sollten Sie aufmerksam werden:

  • reduziertes Schlafbedürfnis
  • frühe Sprachentwicklung (ganze Sätze bereits mit 1 bis 1,5 Jahren)
  • permanente Fragen, die sich früh auf abstraktem Niveau bewegen
  • liest von alleine und/oder liest sehr viel
  • beschäftigt sich oft sehr lange mit einem Thema
  • weist hohes Detailwissen auf

Gemeinsame Merkmale vieler hochbegabter Kinder sind außerdem ein sehr gutes Gedächtnis, hohe Konzentrationsfähigkeit und schnelles Reaktionsvermögen.

 

Diagnostik einer Hochbegabung

Bild64Grundsätzlich empfiehlt es sich, eine Begabungsdiagnostik durch auf diesem Gebiet erfahrene Psychologen durchführen zu lassen. Die Diagnostik umfasst neben der Erhebung der intellektuellen Fähigkeiten pädagogische, psychologische und entwicklungsneurologische Untersuchungen. Neben der Feststellung der aktuellen Situation (Interessen, Leistungsverhalten, Arbeitsstil, Befindlichkeit, familiäre Situation, Verhalten zu Gleichaltrigen, ggf. psychische Auffälligkeiten) ist es wichtig, die Entwicklung des Kindes kennen zu lernen. Auskünfte von Dritten (Schulzeugnisse, Unterrichtsbeobachtungen, Lernbiografie, Gespräche mit Eltern und Lehrkräften, Berichte aus dem Umfeld des Kindes, Vorbefunde, Arztbriefe usw.) können dabei sehr hilfreich sein. Selbstverständlich muss das eigentliche intellektuelle Potential bestimmt werden, eine ausführliche Intelligenzdiagnostik ist dabei ein wertvolles Instrument.

Orientierende Verfahren sind nicht ausreichend, da bestimmte Stärken und Schwächen so nicht festgestellt werden können, optimal ist die Durchführung von zwei Testverfahren. Generell ist ein ganzheitlicher, integrativer diagnostischer Ansatz zu bevorzugen. Eine Intelligenztestung allein kann zwar einen Hinweis darauf geben, ob eine besondere intellektuelle Begabung vorliegt, aber erst das Einbeziehen der vorgenannten Faktoren lässt in ihrer Gesamtheit eine Beurteilung darüber zu, ob eine besondere Begabung oder Hochbegabung vorliegt und vor allem, welche Konsequenzen daraus erwachsen.

Besteht bei Intelligenztests ein signifikanter Unterschied zwischen den Kompetenzen im sprachlichen Bereich gegenüber dem handlungsorientierten Bereich, sollte geprüft werden, ob diese Differenz in den konzentrationsabhängigen Untertests resultiert und die Diagnostik ggf. erweitert werden.

 

Was Eltern tun können

Ob musikalische, sportliche oder andere Interessen, inzwischen gibt es viele Möglichkeiten, den enormen Wissensdurst und Tatendrang vieler hochbegabter Kinder außerschulisch zu befriedigen.

Förderung hochbegabter Kinder heißt aber nicht nur, bereits herausragende Leistungen zu optimieren. Besonders gründlich sollten auch Schwächen berücksichtigt werden, um ein Ungleichgewicht in der emotionalen, sozialen, motorischen, sensomotorischen und kognitiven Entwicklung auszugleichen. So führt das Zusammentreffen mit anderen hochbegabten Kindern häufig zu einer deutlichen Bereicherung und oft auch Entlastung der Familie. Im Austausch mit anderen betroffenen Familien erhalten Eltern ganz praktische Alltagshilfen und wertvolle Informationen. So sind viele Situationen in Familie, Schule und Freizeit leichter zu meistern. Das Elterncoaching unterstützt insbesondere Eltern, bzw. Familien mit besonders erziehungsintensiven hochbegabten Kindern oder Jugendlichen.

Hochbegabte Kinder und Jugendliche brauchen informierte und starke Eltern!

 

Leistungsfaktoren

Hochbegabung bezeichnet lediglich das hohe geistige Potenzial eines Kindes, Jugendlichen oder Erwachsenen. Ob sich dieses Potential letztendlich auch in herausragenden Leistungen spiegelt, ist von einer Vielzahl von Faktoren beim Kind selbst, sowie in dessen Familie und Umfeld abhängig.

Begabungsmodell

Das etwas modifizierte Begabungsmodell von Heller (1994) macht deutlich, dass die tatsächliche Leistungsfähigkeit von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst wird, wobei Begabungsfaktoren und nicht-kognitive Persönlichkeitsmerkmale als gewisses Potential intellektueller Leistungs-fähigkeit angesehen werden können. Hochbegabung bedeutet jedoch nicht, dass zwangsläufig auch eine hohe Leistungsfähigkeit vorhanden sein muss oder diese gezeigt wird.

Hier einige Beispiele zu Leistungsfaktoren:

Umweltmerkmale

  • Familienklima
  • Klassenklima
  • kritische Lebensereignisse

psychische Störungen und Beeinträchtigungen

  • ADHS/ADS
  • Teilleistungsstörungen
  • Depressionen
  • motorische Störungen

nicht-kognitive Persönlichkeitsmerkmale

  • Stressbewältigungsstrategien
  • Selbststeuerungskompetenzen
  • Motivation
  • Lernstrategien
  • Prüfungsangst
  • Kontrollüberzeugungen

Begabungsfaktoren

  • intellektuelle Fähigkeiten
  • Kreativität
  • soziale Kompetenz
  • Musikalität
  • Psychomotorik

 

Ursachen für Underachievement

Obwohl die meisten hochbegabten und besonders begabten Menschen in ihrem Umfeld wenige Probleme aufgrund ihrer Fähigkeiten haben, schützt eine hohe kognitive Leistungsfähigkeit weder vor Misserfolgen in der Schule, noch vor psychischen Beeinträchtigungen oder Lernstörungen. Die verbreitete Annahme, Hochbegabung würde sich auch ohne eine besondere Förderung durchsetzen, trifft keineswegs immer zu. Wird eine Hochbegabung oder besondere Begabung nicht festgestellt oder nicht entsprechend berücksichtigt, können unterforderte, gelangweilte, unkonzentrierte und verhaltensauffällige Kinder die Folge sein. Hochbegabte Schüler/innen lernen oft nicht zu lernen, zeigen häufig nur wenig Anstrengungsbereitschaft und entwickeln zu wenig effektive Lernstrategien. Schul- und Leistungsprobleme in der weiterführenden Schule sind dann die Folge.

Neben sozialen Anpassungsproblemen, Mobbing oder Schwierigkeiten in der Familie, können Teilleistungs- oder Aufmerksamkeitsstörungen ebenfalls zu Leistungsproblemen führen.

 

AD(H)S und Teilleistungsstörungen bei vorhandener Hochbegabung

Bild37Oft erfolgt die Feststellung einer AD(H)S bei Kindern mit einer Hochbegabung erst in einem höheren Lebensalter, da die Aufmerksamkeitsstörung durch die hohen kognitiven Fähigkeiten zum Teil kompensiert werden kann. Eine Kompensation der hohen Impulsivität und der motorischen Unruhe ist allerdings kaum möglich. Häufig fallen ein impulsiver Arbeitsstil, sowie Probleme mit der Arbeitsorganisation auf, wie z.B. Vergessen, Verlieren, fehlender Überblick, mangelnde Zeiteinteilung, unrealistische Situationseinschätzung, etc.. Zudem sind oft Wahrnehmungsstörungen, akustische Differenzierungsschwächen und/oder Teilleistungsstörungen zu beobachten und gesondert zu diagnostizieren und zu therapieren.

Bei Nichterkennung einer Hochbegabung werden auch Teilleistungsstörungen (Lese-Rechtschreib-Störung, Rechenstörung/Dyskalkulie) häufig nicht erkannt, da diese Kinder, verglichen mit durchschnittlich begabten Kindern, ausreichend gute Leistungen zustande bringen. Bezogen auf ihr intellektuelles Potential kann dann jedoch trotzdem eine Teilleistungsstörung vorliegen, die einer entsprechenden Förderung bedarf. Haben hochbegabte Kinder plötzlich unerwartete Schwierigkeiten beim Erlernen von Fremdsprachen, kann dies ein Hinweis sein und eine diesbezügliche Abklärung sollte erfolgen.

Die Problematik ist zum Teil gravierend, da viele hochbegabte Kinder schon sehr früh erkennen, dass „irgendetwas nicht stimmt“, ohne genau sagen zu können, worin sich die Schwierigkeiten begründen. Manchmal wird ihnen Faulheit unterstellt, obwohl sie sich sehr bemühen, gute Leistungen zu zeigen. Der Leidensdruck ist dann oft groß und eine sekundäre depressive Entwicklung keine Seltenheit.

Ob das Risiko einer AD(H)S bei hochbegabten Kindern größer ist, lässt sich noch nicht sicher sagen. Es gibt einige wissenschaftliche Untersuchungen, die zu unterschiedlichen Aussagen kommen. In jedem Fall gesellt sich zur Hochbegabung oft eine Hochsensibilität.

 

Gemeinsamkeiten und Unterschiede von AD(H)S und Hochbegabung

Die Ressourcen, über die Kinder mit AD(H)S zum Teil verfügen (z.B. Aktivität, Einfallsreichtum, Originalität, Engagement, durchsetzungsstarkes und energisches Handeln, Kreativität, Neugierde, Flexibilität und Spontaneität), können auch bei besonders begabten Menschen auffallen und zwar durchaus in sehr ausgeprägtem Maße. Sie sind, wie alle Temperaments- und Persönlichkeitsmerkmale natürlich nicht immer vorhanden.

Es sind jedoch vor allem auch mögliche Verhaltensauffälligkeiten, die sowohl bei AD(H)S, als auch bei einer Hochbegabung vorliegen können, die es schwer machen, das eine vom anderen zu trennen:

  • Konzentrationsstörungen
  • erhöhte Ablenkbarkeit
  • Störverhalten im Kindergarten und in der Schule
  • motorische Unruhe
  • soziale Schwierigkeiten
  • häufige Auseinandersetzungen mit Autoritätspersonen

 

Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über einige mögliche Unterschiede in der Entwicklung, des familiären Hintergrunds und biologischer Faktoren. Hierbei ist anzumerken, dass es sich dabei um Häufigkeiten handelt und dass natürlich nicht jedes Kind in dieses Schema passt.

 

AD(H)S

Hochbegabung

Sprachentwicklung

  •           bei vorhandener Impulsivität Auffälligkeiten im Sprechverhalten

  •           oft frühe Sprachentwicklung mit großem Wortschatz, hohem Sprachverständnis und differenzierter Ausdrucksweise

Lesen

  •           häufiger Lese-Rechtschreib-schwäche
  •           ohne diese Teilleistungsstörung unauffälliges Lesen
  •           häufig früher Lesebeginn, auch mit selbstständigem Lese-fähigkeitserwerb
  •           schnelles Lesen und gute Speicherfähigkeit der Inhalte
  •           bei LRS lange Ausgleich durch Strategien

Schreiben

  •           häufiger Lese-Rechtschreib-schwäche
  •           auch ohne diese Teil-leistungsstörung gehäuft unordentliche Schrift, gelegentlich durch zusätzliche motorische Schwäche bedingt
  •           häufig frühes Schreiben, auch vor dem Schulbeginn
  •           später Spaß an Rätsel- und Wortspielen und hohe Schreibfreude
  •           LRS bleibt oft lange  unsichtbar

Sensorik und Motorik

  •           gelegentlich Geräuschüberempfind-lichkeit (Hyperakusis), vor allem wenn akustische Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörungen vorliegen
  •           häufig sehr sensibel
  •           ADHS-ler sind oft sehr sportlich und ausdauernd, Sportarten mit hohem Tempo werden bevorzugt
  •           ADS-ler haben oft Schwierigkeiten mit der Feinmotorik und sind häufig wenig bewegungsfreudig
  •           oft Vermeidung von taktilen Reizen (mögen nicht im Sand spielen, matschen, etc.)
  •           gelegentlich Geräuschüberempfind-lichkeit (Hyperakusis)
  •           häufiger visumotorische Defizite, die oft unerkannt bleiben
  •           isolierte sportliche besondere Begabung ist möglich
  •           häufiger fein- und grobmotorische Entwicklungsverzögerungen, die oft unerkannt bleiben

soziale Fähigkeiten

  •           häufig wenig Einsichtsfähigkeit in die eigene Beteiligung bei Konflikten
  •           gelegentlich wenig Einfühlungs-vermögen
  •           Schwierigkeiten in größeren Gruppen
  •           oft große Hilfsbereitschaft
  •           ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl
  •          geringes Selbstwertgefühl
  •          häufig ausgeprägte soziale Kompetenzen, hoher Gerechtigkeitssinn, soziales Engagement
  •           häufig große soziale Anpassungsprobleme
  •           Gefühl der Andersartigkeit
  •           vermindertes oder übersteigertes Selbstwertgefühl
  •           häufig wird Kontakt mit Älteren gesucht

Denkstil

  •           unauffällig oder auch besonders flexibel und kreativ, dann jedoch nicht immer geordnet
  •           flexibel und kreativ, oft lösungsorientiert
  •           oft inkonsistent, unübersichtlich

Arbeitsorganisation

  •          Verlust des Überblicks über Arbeitsabläufe
  •           impulsiver, oberflächlicher Arbeitsstil
  •           oft sehr strukturiert und geordnet, oder auch chaotisch, dann sind die Ergebnisse jedoch trotzdem häufig gut

sozialer Hintergrund

  •           kann in allen gesellschaftlichen Schichten vorkommen
  •           die soziale Schicht hat neben anderen Faktoren einen erheblichen Einfluss auf den Ausprägungsgrad
  •           kann in allen gesellschaftlichen Schichten vorkommen
  •          Gefahr des Nicht-Erkennens von Hochbegabten in sozial schwachen Regionen

Schwangerschaft und Geburt

  •           häufiger Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen
  •           unauffällig

Genetik

  • deutliche Beteiligung
  •           deutliche Beteiligung

Geschlechtsabhängigkeit

  •           bei AD(H)S Jungen ca. 3-5 mal häufiger betroffen
  •           bei ADS Mädchen häufiger betroffen, häufig unerkannt
  •           gleiche Geschlechterverteilung
  •           Mädchen häufiger unerkannt

 

Therapie von hochbegabten Kindern mit AD(H)S

Wenn die Diagnosestellung gesichert ist, brauchen hochbegabte Kinder genauso wie durchschnittlich begabte Kinder ein mehrdimensionales, an der Symptomatik und der aktuellen Lebenssituation orientiertes Behandlungskonzept, möglichst unter Einbeziehung von Eltern und Lehrkräften. Aufklärung und enge Zusammenarbeit aller Beteiligten ist an dieser Stelle besonders wichtig, um die Besonderheiten der Kombination von Hochbegabung und AD(H)S zu verstehen.

 

Anforderungen an Fördermaßnahmen oder Therapie bei Hochbegabung

Bild29Grundsätzlich empfiehlt sich, dass (lern-)therapeutische Interventionen oder Coachingmaßnahmen durch Fachpersonen durchgeführt werden, die über ausreichend Fachwissen und Erfahrung mit hochbegabten Kindern und deren Familien verfügen. Auch ist es hier besonders wichtig, dass die „Chemie“ stimmt. Ist eine Fördermaßnahme oder Therapie indiziert, ist hierbei zu beachten, dass hochbegabte Kinder oft mehr Aufklärung und Beratung benötigen als andere. Sie wollen sich ernst genommen fühlen und reagieren oft besonders empfindlich, wenn sie den Eindruck gewinnen, dass über ihren Kopf hinweg entschieden wird. Hochbegabte Kinder zeigen häufig einen sehr kreativen, oft auch ungewöhnlichen Denkstil und haben meist ein hohes Lerntempo. Diese Fähigkeiten sollten grundsätzlich auch in Lerntherapie und Lerncoaching unterstützt, bzw. berücksichtigt werden.

 

Schulische Fördermaßnahmen

Der kreative, oft auch ungewöhnliche Denkstil hochbegabter Schüler/innen sollte auch im schulischen Unterricht unterstützt werden und Vorrang vor stereotypen Unterrichtsstrategien haben. Dies kann durch Individualisierung und Differenzierung im Unterricht geschehen. Akzeleration (Verkürzung durch beschleunigtes Lernen, z.B. frühzeitige Einschulung, das Überspringen einer Klasse oder spezielle Klassen) soll dem kognitiven Entwicklungsvorsprung Rechnung tragen. Enrichment (Zusatzangebot) ermöglicht inner- und außerschulische Förderung. So können auch nicht lehrplanrelevante Themen (z.B. Fremdsprachen, Naturwissenschaften, Astrologie, Philosophie- Musik, Theater, etc.) berücksichtigt werden.